Glücksstress

Leseprobe "Glücksstress" aus Buchteil Fünf "Fragen und Antworten" aus dem Buch "Besser als Glück" von Torsten Brügge.


Ich habe oft das Gefühl, ich könnte glücklich sein, wenn ich nur nicht zu doof wäre, die Dinge aus Ihren - und anderen - Büchern umzusetzen. Das bewirkt einen unglaublichen Stress, erzeugt Schuldgefühle und lähmt mich. Mache ich etwas falsch?

Oft verstehen wir den Begriff »Glück« auf eine oberflächliche Weise. Dann meinen wir damit ein Glücksgefühl, das sich stets froh, heiter und licht anfühlen sollte. »Ich bin gut drauf.« »Ich freue mich.« »Ich habe gute Laune.« Doch das sind irreführende Vorstellungen über Glück. Sie versetzen uns leicht in eine Art Glücksstress. Dann versuchen wir alles, um diese schönen Gefühle innerlich herzustellen. Manchmal benutzen wir auch spirituelle Zugänge und Techniken – wie sie in meinen Büchern beschrieben werden – um unangenehme Gefühle in glückliche zu verwandeln. Das mag sogar funktionieren. Allerdings nur dann, wenn wir sie in einer unschuldigen, frischen Herangehensweise nutzen – in einem Geist der Hingabe. Dann erspüren wir das wahre Glück hinter den Gefühlen. Doch dieses Glück ist kein Gefühl. Es ist eine essentielle Eigenschaft unserer wahren Natur. Sie ist sowohl in angenehmen, als auch unangenehmen Gefühlen zu entdecken. Diese Entdeckung geschieht ganz natürlich und zwar gerade dann, wenn wir aufhören Glücksgefühle erzwingen zu wollen; wenn wir uns der gegenwärtigen Erfahrung ganz hingeben; wenn wir in Frieden sind mit dem, was auch immer wir gerade erleben. In Frieden auch mit dem Gefühl des Unglücklichseins. Es ist ein Paradox: Erlauben wir uns, die Suche nach Glücksgefühlen zu beenden, entdecken wir wahres Glück.

Wir alle wissen um diese Wahrheit. Auf die eine oder andere Weise haben wir sie ganz unmittelbar erfahren. Dennoch beharrt unser Denken von Zeit zu Zeit doch darauf, Kontrolle über unsere Gefühle ausüben zu wollen – und versagt damit. Dann ist wieder Hingabe gefragt: Können wir das Unglücklichsein dieses Moments als Geschenk annehmen? Können wir uns auch traurig, wütend, verzweifelt, frustriert sein lassen? Ohne dagegen zu kämpfen oder Glücksgefühle zwanghaft herstellen zu wollen? Können wir unserer eigenen Unzulänglichkeit – selbst der spirituellen Unfähigkeit, unser Unglück zu durchschauen und aufzulösen – sanft und liebevoll begegnen?

Es ist in Ordnung, unglücklich zu sein. Es ist gut so, wie es ist – auch wenn es sich schmerzlich, frustriert oder wütend anfühlt. Wir brauchen nichts tun, um das Unglücklichsein zu verwandeln. Auf mysteriöse Weise verwandelt es sich dann von alleine – oder wir sind einfach in Frieden damit.

Und wenn das nicht klappt? Können wir dann in Frieden damit sein, dass wir nicht in Frieden damit sein können? Eine solche Haltung könnte eine »Meta-Zufriedenheit« offenbaren. Wir brauchen nicht mehr mit uns selbst hadern oder uns beschuldigen: »Mein Gott, bin ich doof, das ich mich wieder im Unglück verrenne, obwohl ich es doch eigentlich besser weiß«. Solche Selbst-Geißelungsgedanken verstärken das Leiden nur noch. Wie wäre es, ihnen nicht zu folgen und sie durch eine offene Haltung zu ersetzen: »Ich erlaube mir, mich vollkommen unglücklich zu fühlen«. Und plötzlich leuchtet eine andere Dimension von Glück hindurch. Ein Glück das sogar mit dem Gefühl des Unglücklichseins glücklich sein kann. Es kann sich darüber freuen oder darüber weinen. Beides ist dasselbe.

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